Drama im Cockpit (B1/B2)

Drama im Cockpit (B1/B2)

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„Wir sehen uns in Madrid“, verabschiedete Robert sich von seinem jüngeren Bruder Martin. Lächelnd schaute er Martin nach, als dieser in seiner schmucken Uniform durch die Sicherheitskontrolle ging. Es war Zufall gewesen, dass Martin dem Flug Frankfurt – Madrid als Pilot zugeteilt worden war. Den gleichen Flug, den Robert gebucht hatte, um in der spanischen Hauptstadt an einem Kongress teilzunehmen. Und Martin würde erst am nächsten Tag zurückfliegen, sodass sie einen schönen Abend miteinander verbringen konnten.

Zwei Stunden später saß Robert angeschnallt im Flugzeug. Er hatte einen Gangplatz, sodass er nicht viel sehen konnte, als die Maschine abhob, aber er flog oft. Das war nicht so wichtig. Wichtiger war es ihm, in einer der ersten Reihen im Flugzeug zu sitzen, um nach der Landung schnell aussteigen zu können.

Die erste halbe Flugstunde verlief ereignislos, aber plötzlich bemerkte Robert Unruhe bei den Flugbegleitern, die vor der Cockpittür standen.  

„Wir haben einen medizinischen Notfall. Gibt es einen Arzt an Bord?“, kam eine Durchsage.

Robert zögerte noch, als ein Mann von hinten kam und sich als Arzt vorstellte. Dann stand er auch auf. Das Kabinenpersonal war zu nervös gewesen. Er war sich sicher, dass es nicht um einen Passagier handelte und dort vorne im Cockpit saß sein Bruder. Robert war Psychiater, aber natürlich hatte er Medizin studiert.

Die Stewardess winkte ihn und den anderen Mann zu sich.

„Unser Captain ist zusammengebrochen“, meinte sie nervös, während sie die Tür zum Cockpit öffnete.

Der Arzt neben Robert nahm der Stewardess, die neben dem bewusstlosen Flugkapitän kniete, sofort die Tasche mit den Utensilien für medizinische Notfälle aus der Hand. Robert hingegen schaute zu seinem Bruder und sah, dass dieser leichenblass war.

„Martin.“

„Ist er tot?“, fragte Martin.

„Nein, aber er wird seinen Job nicht mehr machen können. Kannst du dieses Flugzeug allein fliegen und landen?“

Martin starrte Robert irritiert an.

„Scheiße“, dachte der Psychiater. Er warf einen Blick auf die Geräte. Offensichtlich flog das Flugzeug per Autopilot. Er hatte keine Ahnung von den Abläufen im Cockpit während eines Fluges, aber ihm war klar, dass über kurz oder lang zumindest ein handlungsfähiger Pilot gebraucht werden würde.

„Fragen Sie, ob es unter den Passagieren jemanden gibt, der fliegen kann oder der zumindest ein bisschen Ahnung hat“, sagte Robert zu der Stewardess, die neben ihm stand und als einzige mitbekommen hatte, dass Martin zwar auf die Geräte starrte, aber mit seinen Gedanken weit weg war. Robert ahnte, was passiert war und war sich sicher, dass er Martin helfen konnte, aber er brauchte jemanden in diesem verdammten Cockpit, der sich um das Flugzeug kümmern konnte.

Die Stewardess nahm das Mikrofon. „Sehr geehrte Passagiere. Leider steht einer unserer Piloten für den Rest des Fluges nicht mehr zur Verfügung und ich möchte daher fragen, ob es unter Ihnen jemanden mit Flugerfahrung gibt, der uns aushelfen könnte. Bitte bleiben Sie ruhig, es besteht keinerlei Grund zur Sorge.“

Robert bewunderte die Kaltblütigkeit der Stewardess. Sie wusste genau, dass die Gefahr bestand, dass keiner von ihnen diesen Flug überleben würde, aber Panik unter den Passagieren war natürlich das letzte, was sie brauchten.

Eine Frau um die 40 betrat das Cockpit. Robert sah, dass sie die Situation mit einem Blick erfasste.

„Ich bin Pilotin bei Iberia“, meinte sie auf Englisch. „Ich kenne diesen Flugzeugtyp.“

Der Arzt und eine Stewardess hatten den bewusstlosen Captain auf den Boden gelegt. Die Spanierin setzte sich auf den Pilotensitz und kontrollierte einige Geräte. Dann wandte sie sich an den Arzt.

„Wie geht es ihm? Können Sie sagen, was passiert ist?“

Herzinfarkt, er muss so schnell wie möglich in ein Krankenhaus.“

Die spanische Pilotin reagierte sofort: „Hier Flug LH5010 von Frankfurt nach Madrid. Wir haben einen medizinischen Notfall an Bord und brauchen dringend eine Landeerlaubnis für den nächstgelegenen Flughafen. Es handelt sich um einen Herzinfarkt, ein Arzt kümmert sich um den Patienten.“

„Verstanden, LH5010. Einen Moment.“

Wenige Minuten später kam die Rückmeldung vom Bodenpersonal.  

„Fliegen Sie bitte den Flughafen Paris-Orly an. Dort wird ein Krankenwagen bereitstehen.“

„Danke.“ Die Pilotin gab routiniert die neue Route in den Bordcomputer ein und wandte sich dann an Robert.

„Sie sind auch Arzt?“, fragte sie.

„Ich bin Psychiater und das ist mein Bruder“, antwortete Robert. Während die Spanierin mit dem Bodenpersonal gesprochen hatte, hatte Robert seinem Bruder unauffällig eine Tablette gegeben.

„Was ist mit Ihrem Bruder? Ich werde es zwar schaffen, das Ding hier allein in Orly zu landen, aber das wäre eigentlich der Job Ihres Bruders.“

Sie schaute Martin an. „Ist noch nicht lange Pilot, oder?“

„Nein, erst seit einem halben Jahr.“

„Uff, und dann gleich so ein Mist. Trotzdem wird es eine Befragung geben. Wir müssen auch in psychologischen Ausnahmesituationen funktionieren.“

Plötzlich bewegte sich Martin. „Captain Braun, wie geht es ihm? Oh Gott, das war so schrecklich, er hat sich ans Herz gegriffen und ist dann zusammengebrochen. Wie Papa.“

Robert war froh, dass Martin Deutsch sprach. Er legte ihm die Hand auf die Schulter.

„Martin, wir besprechen das alles später. Bitte konzentrier dich jetzt auf deine Arbeit. Kannst du das?“

Martin nickte. „Ja, natürlich.“

Zwanzig Minuten später landete die Boing problemlos auf dem Flughafen Orly. Flugkapitän Johannes Braun verbrachte einige Tage in einem französischen Krankenhaus und wurde dann nach Deutschland verlegt. Seine Karriere als Lufthansa-Pilot musste er aus gesundheitlichen Gründen beenden.

Martin Garder musste aufgrund der Aussage der spanischen Pilotin zu einer psychologischen Untersuchung, an der auch sein Bruder Robert teilnahm. Robert erzählte von dem Autounfall, den sein Vater aufgrund eines Herzinfarkts verursacht und bei dem er gestorben war. Sowohl Robert als auch Martin hatten im Auto gesessen und waren schwer verletzt worden. Martin war fünf und Robert dreizehn Jahre alt gewesen. Robert hatte nach der Entlassung aus dem Krankenhaus eine Therapie gemacht, um die Geschehnisse verarbeiten können. Dabei war sein Interesse an Psychiatrie und Psychologie geweckt worden. Martin hatte man als zu jung eingeschätzt, um von einer Therapie zu profitieren. Nur Robert wusste, dass Martin im Laufe der Jahre immer mal wieder nachts schweißgebadet aufgewacht und seinen sterbenden Vater vor sich gesehen hatte.

Martin wurde für ein Jahr als Pilot freigestellt. Nach diesem Jahr und einer professionellen Traumatherapie sollte eine erneute psychologische Begutachtung stattfinden, um zu entscheiden, ob Martin als Pilot geeignet war.

„Ich weiß gar nicht, ob ich überhaupt noch fliegen will“, meinte Martin zu seinem Bruder. „Wegen mir wären alle diese Menschen fast gestorben.“

„Du warst ein kleines Kind, als Papa gestorben ist“, antwortete Robert. „Ich muss mir genauso gut Vorwürfe machen, ich hätte dich überzeugen sollen, eine Therapie zu machen, anstatt dir für den Notfall Lorazepam zu verschreiben.“

„Ja, da hast du wohl Recht, aber wir dachten beide, dass meine Probleme nur in Form von Alpträumen auftraten. Niemand von uns hätte sich vorstellen können, dass sich eine ähnliche Situation wie bei Papa wiederholt. Zum Glück hat Captain Braun überlebt.“

  • lächelnd, with a smile
  • jemandem nachschauen, to look after someone (when someone walks away)
  • schmuck, neat (sounds a bit old-fashioned, only used in special contexts)
  • zuteilen, to assign
  • miteinander, with each other
  • angeschnallt, with the seat belt fastened
  • der Gangplatz, aisle seat
  • abheben, to take off
  • in einer der ersten Reihen, in one of the first rows
  • ereignislos verlaufen, to be uneventful
  • die Unruhe, uneasiness
  • der Flugbegleiter, flight attendent
  • der Notfall, emergency
  • die Durchsage, announcement
  • zögern, to hesitate
  • zu sich winken, to wave over
  • zusammenbrechen, to collapse
  • bewusstlos, unconscious
  • leichenblass, deathly pale
  • irritiert, confused
  • das Gerät, device
  • offensichtlich, obviously
  • der Ablauf, process
  • über kurz oder lang, sooner or later
  • handlungsfähig, capable of acting
  • als einzige, as the only one
  • etwas mitbekommen, to notice something
  • ahnen, to guess, to suspect
  • verdammt, damn
  • zur Verfügung stehen, to be available
  • die Flugerfahrung, flying experience
  • aushelfen, to help out
  • es besteht kein Grund zur Sorge, there is no reason to be worried
  • bewundern, to admire
  • die Kaltblütigkeit, cold-bloodedness
  • es besteht Gefahr, dass …, there is a risk that …
  • um die 40, around the age of 40
  • die Situation mit einem Blick erfassen, to grasp the situation at a glance
  • auf den Boden legen, to lay on the ground
  • sich an den Arzt wenden, to turn to/address the doctor
  • der Herzinfarkt, heart attack
  • dringend, urgently
  • die Landeerlaubnis, permission to land
  • der nächstgelegene Flughafen, the nearest airport
  • die Rückmeldung, response, feedback
  • das Bodenpersonal, ground staff
  • ein Krankenwagen wird bereitstehen, an ambulance will be there
  • unauffällig, without attracting attention
  • schaffen, to manage
  • so ein Mist, such a bummer
  • die Befragung, interrogation
  • die Ausnahmesituation, exceptional circumstance
  • sich bewegen, to move
  • er hat sich ans Herz gegriffen, to move your hand to your hand
  • besprechen, to discuss
  • verlegen, to transfer, to relocate
  • aus gesundheitlichen Gründen, for health reasons
  • aufgrund, because of
  • die Aussage, statement, testimoney
  • die Untersuchung, examination
  • aufgrund eines Herzinfarkts, because of a heart attack
  • verursachen, to cause
  • schwer verletzt, badly injured
  • die Entlassung aus dem Krankenhaus, discharge from the hospital
  • Geschehnisse verarbeiten, to come to terms with what had happened
  • einschätzen, to assess, to estimate
  • schweißgebadet, drenched in sweat
  • jemanden freistellen, to release from one’s duties
  • erneut, again, re-
  • eine psychologische Begutachtung, a psychological assessment
  • sich Vorwürfe machen, to blame oneself
  • überzeugen, to convince
  • anstatt, instead
  • verschreiben, to prescribe
  • der Alptraum, nightmare
  • auftreten, to happen, to appear

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