5. Freundschaften aus der Kindheit

Hallo, mein Name ist Daniela und ich begrüße dich zur fünften Folge des German with Stories Podcast. Dies ist wieder eine Folge für B1/B2-Schüler und mein Thema heute ist: Freundschaften aus der Kindheit.

Ich bin in den 1970er Jahren in den Kindergarten und in die Grundschule gegangen und natürlich hatte ich dort Freunde, aber ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich an niemanden so richtig erinnern kann. Wie du vielleicht weißt, dauert die Grundschule in Deutschland nur vier Jahre. Ich war also erst zehn, als ich sie beendet habe. Meine Großmutter konnte sich bis kurz vor ihrem Tod an jeden erinnern, mit dem ich im Kindergarten und in der Grundschule gespielt hatte und erstaunlicherweise hat sie diese Leute auch als Erwachsene noch wiedererkannt. Dieses Talent habe ich leider nicht.

Nach der Grundschule bin ich auf die Realschule gewechselt und dort wurden Freundinnen dann sehr wichtig. Es gab vier Mädchen, mit denen ich fast meine gesamte Freizeit verbracht habe. Zwei von ihnen sehe ich heute noch regelmäßig. Also, regelmäßig sehen bedeutet bei mir etwa einmal im Jahr. Öfter bin ich ja nicht in Deutschland und bis jetzt haben wir es noch nicht geschafft, uns mal woanders zu treffen. Das wird sich vielleicht nächstes Jahr ändern. Vielleicht. Hoffentlich. Schauen wir mal.

Diese beiden Freundinnen sind der einzige Grund, warum ich bei Deutschland-Besuchen auch Zeit in meiner Geburtsstadt Herford verbringe. Ich selbst bin dort gleich nach dem Abitur weggezogen, aber interessanterweise sind fast alle meine Klassenkameraden geblieben. Ich weiß das, weil es alle paar Jahre Klassentreffen gibt. Drei oder vier Leute sind in eine andere Stadt gezogen, aber außer mir hat niemand Deutschland verlassen. Auf einem Klassentreffen war ich nur einmal und das ist schon sehr sehr lange her. Aber meine beiden Freundinnen erzählen mir natürlich immer, wie es war. Außerdem weiß man in einer Kleinstadt meist übereinander Bescheid. Zumindest, wenn man im gleichen Stadtteil gewohnt hat oder immer noch wohnt. Das ist bei meinen Freundinnen Jutta und Kirstin so. Sie wohnen immer noch in ihrem Elternhaus. Natürlich sieht es heute anders aus als vor 40 Jahren. Sie haben angebaut, damit mehr Platz ist, denn beide haben geheiratet und haben jeweils zwei eigene Kinder. Die sind mittlerweile auch schon erwachsen. Das haben wir gemeinsam. Also, das mit den Kindern, denn ich war nie mit dem Vater meiner Kinder verheiratet.

Ansonsten sind wir sehr unterschiedlich. Während der Schulzeit war die Kirstin meine beste Freundin. Wir haben in der Schule sechs Jahre nebeneinander gesessen und ich habe ihr immer bei den Deutsch- und Englisch-Hausaufgaben geholfen. Mit Sprachen war sie sehr schlecht, aber sie bekam immer gute Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern und war sehr sportlich und da war ich nie so gut. Bei meiner anderen Freundin Jutta war das ähnlich. Beide, also Kirstin und Jutta, haben übrigens nach der Realschule eine Ausbildung zur Krankenschwester gemacht. Ich hingegen bin drei weitere Jahre zur Schule gegangen, habe Abitur gemacht und dann an der Universität studiert.

Ich habe mein Abitur an einer Wirtschaftsfachschule gemacht, nicht an einem normalen Gymnasium. Wir waren damals nur vier Mädchen in der Klasse. Eine davon war eine Marokkanerin, mit der ich auch weiterhin Kontakt habe. Sie war damals die Klassenbeste und total intelligent, kam aber aus einer sehr traditionellen Familie. Sie hat zwar nach dem Abitur eine Ausbildung gemacht und auch immer gearbeitet, musste aber auf Druck ihres Vaters einen Mann aus Marokko heiraten, den sie vorher nicht kannte. War eine ganz komische Geschichte. Nach vielen Jahren unglücklicher Ehe und drei Kindern hat sie es dann geschafft, sich scheiden zu lassen und seitdem lebt sie glücklich und zufrieden, weiterhin in Deutschland, fährt manchmal nach Marokko in Urlaub, hat keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater … Na gut, das ist eine andere Geschichte.

Meine beste Kindheitsfreundin ist heute Jutta. Das liegt vielleicht auch daran, dass ich mich mit ihrem Mann immer sehr gut verstanden habe, während ich Kirstins Mann zum Beispiel kaum kenne. Jutta und ihr Mann haben mir bei Umzügen innerhalb Deutschlands geholfen und ich verbringe oft ein bis zwei Wochen bei ihnen, wenn ich in Deutschland bin. Sie haben genug Platz, weil ihre Kinder beide ausgezogen sind.

Ich denke, wenn man jemanden schon seit der Kindheit kennt, weiß man normalerweise sehr viel über die Person und kann sie gut einschätzen. Als Kinder schließen wir schnell Freundschaften, weil wir uns nicht so viele Gedanken machen. Vielleicht fühlt man sich oft automatisch zu Menschen mit ähnlichen Persönlichkeiten hingezogen. Als eher schüchternes Mädchen hätte ich im Alter von 10 oder 12 Jahren wohl kaum das lauteste und extrovertierteste Kind in der Klasse als Freundin gewählt. Dieses Kind hätte mich wahrscheinlich auch total langweilig gefunden. Je älter wir werden, desto wählerischer und vielleicht auch misstrauischer werden wir. Wie ich schon im Podcast zu den Stereotypen erwähnte, haben zumindest Deutsche im Erwachsenenleben oft wesentlich mehr Bekannte als richtig gute Freunde.

Ich finde es total interessant, über die Jahre und Jahrzehnte zu beobachten, was die Menschen so mit ihrem Leben machen und wie sie sich verändern. Manchmal sind die Veränderungen leider so stark, dass die Freundschaft daran zerbricht. Oder wir können gewisse Aspekte nicht akzeptieren. Eine meiner ehemaligen Schulfreundinnen braucht zum Beispiel sehr viel Sicherheit. Eigentumswohnung, sicherer Job, feste Routinen, genug Geld auf dem Bankkonto, solche Sachen halt. Tatsächlich sind in Deutschland viele Menschen so, zumindest aus meiner Generation. Nach der Schule habe ich mich mit diesem Mädchen noch einige Jahre ab und zu getroffen, aber irgendwann hatten wir uns einfach nichts mehr zu sagen. Für sie war ich wohl zu unbeständig mit meinen häufigen Umzügen und Jobwechseln und mich hat es genervt, dass man mit ihr zu der Zeit damals fast nur über ihre Familie und die Hausarbeit sprechen konnte. Meine Freundin Jutta trifft sie manchmal und erzählt mir, wie es ihr geht. Wie gesagt, ich finde es interessant, weiterhin etwas über das Leben der Menschen zu wissen, die mir in meiner Kindheit wichtig waren. Und ich weiß von Jutta, dass bei Klassentreffen auch nach mir gefragt wird. Oft sind die Leute dann überrascht, dass die liebe, ruhige Daniela ein so abenteuerliches Leben führt. Es klingt halt abenteuerlich, wenn man hört, dass jemand digitale Nomadin ist, keine feste Wohnung hat und alle paar Wochen oder Monate das Land wechselt. Tatsächlich lebe ich bis auf meine Ortswechsel relativ normal. Ich bin ja introvertiert. Also, zu viel Abenteuer ist gar nicht das Meine. Gut, aber das ist ein Thema für eine zukünftige Podcast-Folge.

Hast du noch Kontakt zu ehemaligen Klassenkameraden? Wenn du Lust hast, schreib mir gerne etwas zu diesem Thema in die Kommentare unter dem Transkript für diese Folge. Das Transkript und ein Worksheet findest du im Mitgliederbereich von germanwithstories.com. Einfach anmelden und die kostenlose Mitgliedschaft wählen. Da ist alles für diese Folge freigeschaltet.

So, das war es für heute. Die nächste Folge ist wieder für Anfänger und in zwei Wochen geht es dann mit einem Podcast für das Niveau B1/B2 weiter.  Bis dann.

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