Ausflug in den Wald

Yanara ist 20 Jahre alt und kommt aus Ägypten. Seit einem Monat lebt sie als Au-pair bei Harald und Sabine Müller. Die Müllers arbeiten beide Vollzeit und haben eine einjährige Tochter, Sophie. Yanara kümmert sich um Sophie, wenn ihre Eltern arbeiten. Sie mag das kleine Mädchen sehr.  Sophie ist ein bisschen wie ihre jüngste Schwester Rania, findet Yanara. Rania ist jetzt schon sieben Jahre alt, aber Yanara kann sich gut an die Zeit erinnern, als Rania noch klein war.

Die Müllers leben in Goslar. Das ist eine Stadt im Harz. Der Harz ist ein Gebirge in der Mitte von Deutschland. Im Winter schneit es hier. Yanara ist neugierig auf den Winter, denn in Ägypten schneit es nur in den Bergen auf der Halbinsel Sinai. Yanara hat noch nie Schnee gesehen. Aber jetzt ist September und das Wetter ist noch ziemlich warm.

Heute ist Sonntag und die Müllers wollen einen Ausflug in den Wald machen. Sabine fragt Yanara, ob sie mitkommen möchte.

„Ja natürlich, gern“, antwortet Yanara. „Ich war noch nie in einem Wald.“

Sabine ist erstaunt. „Du warst noch nie in einem Wald?“

„Nein, in Ägypten gibt es keine Wälder. Es gibt den Nil und die Wüste.“

„Ah stimmt. Verrückt. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Wald zu leben“, meint Sabine. „Es wird dir gefallen. Der Harz ist wunderschön. Ich komme ja aus dem Norden, aber Harald ist hier aufgewachsen. Er kennt eine ruhige Stelle, wo wir ganz sicher Rehe sehen werden.“

„Was sind Rehe?“, fragt Yanara.

„Kennst du den Film Bambi?“

„Ja.“

„Nun, Bambi ist ein Reh.“

„Oh, wie schön.“

Sie fahren mit dem Auto zu einem Waldparkplatz. Sophie ist im Auto eingeschlafen. Harald holt sie aus ihrem Kindersitz und setzt sie in sein Tragetuch. Sophie wacht nicht auf.

„Wir müssen ungefähr eine halbe Stunde laufen“, erklärt Harald.

Am Anfang laufen sie einen Waldweg entlang. Auch andere Familien sind mit ihren Kindern im Wald unterwegs. Man kann im Wald sogar Sport machen.

„Das hier ist ein sogenannter Trimm-dich-Pfad“, erklärt Sabine. „Er ist etwa 5 km lang und alle 200 bis 300 Meter findest du ein Schild, das dir eine Übung vorschlägt und es gibt auch einfache Fitnessgeräte. Manche Menschen kombinieren Joggen mit diesen Fitnessübungen. Harald und ich haben es früher auch oft gemacht.“

„Deutschland ist wirklich interessant“, meint Yanara.

Nach einer Viertelstunde verlässt Harald den Waldweg. Jetzt sind sie mitten im Wald. Sie hören nur die Vögel singen. Plötzlich sieht Yanara ein kleines Tier auf einem Ast. Fasziniert bleibt sie stehen. Das Tier schaut sie neugierig an. Es hat rotbraunes Fell und einen langen buschigen Schwanz.

„Das ist ein Eichhörnchen“, sagt Sabine. „Man kann sie auch in der Stadt sehen.“

Plötzlich hören sie ein Geräusch. Tok tok tok.

„Ein Specht“, meint Harald. Tatsächlich, dort im Baum sitzt ein Specht. Er klopft mit seinem großen Schnabel gegen den Baum, weil er Futter sucht.

Schließlich bleibt Harald stehen. Er zeigt nach vorne. „Dort ist eine Lichtung. Da sind fast immer Rehe. Aber wir dürfen sie nicht erschrecken.“

Er prüft den Wind und läuft dann nach rechts. Sabine und Yanara folgen ihm. Nach einigen Minuten bleibt Harald hinter einem großen Baum stehen. Er winkt Yanara zu sich. Sie sind nur wenige Meter von der Lichtung entfernt und tatsächlich steht dort eine Gruppe Rehe. Drei der Rehe haben Junge. Sie sehen wirklich aus wie Bambi. Yanara macht einige Fotos. Plötzlich wacht Sophie auf und fängt an zu weinen. Die Rehe erschrecken sich und laufen in den Wald.

Sie machen sich auf den Rückweg zum Waldweg. Auf einmal bleibt Harald stehen.

„Nicht bewegen“, flüstert er.

Yanara schaut nach vorn. Warum ist Harald stehengeblieben? Oh, dort steht ein großes Tier mit sechs Jungen. Es sieht ein bisschen aus wie ein Schwein.

„Das ist ein Wildschwein. Wenn Wildschweine Junge haben, können sie gefährlich werden“, erklärt Harald.

Yanara findet das Wildschwein ziemlich hässlich. Aber die kleinen Wildschweine mit ihrem gestreiften Fell sind süß. Die Wildschweine schnüffeln eine Weile am Boden, dann läuft das Mutterschwein weiter und ihre Jungen folgen ihr.

Kurze Zeit später sind Harald, Sabine und Yanara wieder auf dem Parkplatz und fahren nach Hause.

„Gibt es im Wald auch gefährliche Tiere?“, fragt Yanara. „Also, noch gefährlicher als Wildschweine.“

„Es gibt seit einiger Zeit wieder Wölfe in Deutschland, aber sie sind für Menschen nicht gefährlich. In der Stadt ist es gefährlicher als im Wald.“ Harald lacht.

Als sie wieder zu Hause sind, ruft Yanara ihre Familie an und erzählt ihnen von dem schönen Ausflug in den Wald.