15. Bücher lesen

Hallo, hier ist Daniela von German with Stories und in dieser Folge geht es um das Thema Bücher und Lesen. Du wirst wahrscheinlich nicht überrascht sein, dass ich eine Leseratte bin und auch immer war. Als Kind bin ich einmal pro Monat in die Bücherei gegangen und mit einem Stapel Bücher zurück nach Hause gekommen. Es war nicht ungewöhnlich für mich, zehn Bücher pro Monat zu lesen. In den 70er und 80er Jahren gab es ja noch kein Internet und auch nicht so viele Fernsehkanäle wie heute. Vor dem Start des Privatfernsehen 1984 hatten wir drei Fernsehkanäle und natürlich gab es nicht 24 Stunden lang Programm. Außerdem habe ich in einer kleinen Stadt gewohnt, wo nicht viel los war. Die Bücherei war daher mein Tor zur Welt.

Ah, bevor ich weitererzähle, machen wir einen kurzen Ausflug in die Linguistik, denn Bücherei und Bibliothek sind im Deutschen nicht das gleiche. Englisch oder auch Ungarisch benutzen ausschließlich ein Wort, das von „Buch“ abgeleitet wird. Im Ungarischen ist das offensichtlich, könyv = Buch, könyvtár = Bücherei oder Bibliothek. Das englische „library“ hingegen klingt nicht so sehr nach „book“. Daran ist Latein schuld. Das lateinische Wort für „Buch“ ist „liber“. Deshalb ist im Spanischen ein Buch ein „libro“ und im Französischen ein „livre“. So weit, so gut. Für die meisten Muttersprachler indoeuropäischer Sprachen klingt „Bibliothek“ vertraut. Das kommt aus dem Altgriechischen und ist von dort wie andere Wörter in viele Sprachen gewandert. Wir Deutschen konnten uns offenbar nicht entscheiden und haben daher zwei Wörter für fast das gleiche. Eine Bibliothek gehört aber normalerweise zu einer Universität oder ist eine Privatbibliothek. Wenn du also viele Bücher zu Hause hast, kannst du sagen: „Das ist meine kleine Bibliothek“. „Das ist meine kleine Bücherei“ ist hingegen falsch. Eine Bücherei ist ein Ort, wo jeder gegen eine Gebühr Bücher ausleihen kann und nach Hause mitnehmen kann. Ursprünglich konnte man in einer Universitätsbibliothek nur lesen. Das Konzept der Bücherei gibt es in Deutschland erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts und seitdem unterscheidet man auch zwischen Bücherei und Bibliothek. Vorher war alles Bibliothek. Allerdings heißen die öffentlichen Büchereien in manchen Städten Stadtbibliothek und nicht Stadtbücherei, zum Beispiel in München. Manchmal ist Deutsch einfach verwirrend.

Ok, zurück zur Gegenwart. Hm, oder eigentlich zu meiner Kindheit. Ich bin also regelmäßig in die Bücherei gegangen. Dort habe ich Bücher für Kinder meines Alters ausgeliehen, sowohl Geschichten als auch Sachbücher. Bei den Sachbüchern gab es eine Reihe mit Informationen über alle möglichen Themengebiete, von Dinosauriern über die Urmenschen bis hin zu den Tieren im Amazonasgebiet. Man konnte die Bücher aus der Bücherei immer für vier Wochen ausleihen und danach noch zweimal um weitere vier Wochen verlängern.

Anfangs durfte ich nicht allein in die Bücherei, weil sie recht weit entfernt war. Sie lag im Stadtzentrum und wir haben etwas außerhalb gewohnt. So mit 10 oder 11 durfte ich dann allein mit dem Fahrrad in die Stadt fahren und war oft mehr als einmal im Monat in der Bücherei.

Natürlich habe ich auch eigene Bücher besessen. Ich habe mir immer Bücher zum Geburtstag und zu Weihnachten gewünscht. Außerdem habe ich recht früh die Romane meiner Eltern gelesen. Eigentlich durfte ich das nicht, es gab ja Altersbeschränkungen und die waren damals sehr wichtig. Ich habe also heimlich ein Buch aus dem Wohnzimmerschrank geholt und die anderen Bücher so gestellt, dass man nicht sah, dass ein Buch fehlte. Auf diese Weise habe ich sehr früh einige Klassiker gelesen, aber auch ziemlich brutale Krimis, die vielleicht wirklich nicht so optimal für eine 12jährige waren.

Als ich 15 war, hatten wir in der Schule ein Projekt. Jeder sollte sich ein Buch aussuchen, es lesen und dann eine kurze Präsentation zum Inhalt und zum Autor machen. Auch in den 80ern gab es logischerweise Teenager, die nicht so lesebegeistert waren. Außerdem war es eine Extra-Aufgabe. Wir mussten weiterhin normal Hausaufgaben machen und für Klassenarbeiten lernen. Die meisten haben also ein möglichst dünnes Buch für Jugendliche gewählt und es innerhalb von zehn Minuten vorgestellt. Nicht so Daniela. Ich hatte zu dem Zeitpunkt angefangen, mich mit russischer Literatur zu beschäftigen und habe „Anna Karenina“ von Tolstoi ausgewählt. Das Buch hat ungefähr 1000 Seiten, aber ich konnte mit 15 schon schnell lesen. Mein Vortrag hat dann etwa 45 Minuten gedauert und ich glaube, meine Klassenkameraden haben alle mit offenen Augen geschlafen. Mein Lehrer war begeistert, aber nach dieser Aktion hatte ich endgültig einen Ruf als Nerd. Klar, damals hieß das noch nicht Nerd, aber eine 15jährige, die lieber Bücher las als auf Partys zu gehen, war halt etwas merkwürdig. Natürlich hatte ich Freundinnen, so ist das nicht, aber ich war etwas anders. Heute weiß ich, dass ich eine typische Introvertierte bin. Wir lesen alle gerne. Ich zumindest habe noch nie einen introvertierten Menschen getroffen, der nicht gern liest. Egal, aus welchem Land.

Es gibt allerdings Unterschiede zwischen verschiedenen Ländern, was die Begeisterung für das Lesen betrifft. Ich bin mir nicht sicher, warum das so ist. Klar, früher hatte der Zugang zu Büchern etwas mit Bildung zu tun und auch heute sind neue Bücher immer noch relativ teuer. Andererseits kann man problemlos gebrauchte Bücher kaufen. Oder in eine Bücherei gehen. Deutsche lesen recht viel, denke ich, auch heute noch. Aber weniger als früher. Das betrifft auch mich. Zehn Bücher pro Monat schaffe ich heute nicht mehr. Aber ich habe immer noch eine gute Leseroutine und lese drei bis vier Bücher pro Monat. Meistens lese ich zwei Bücher gleichzeitig, ein Sachbuch und einen Roman. Sachbücher lese ich fast nur auf Englisch. Das liegt daran, dass viele der Bücher, die mich interessieren, sowieso im Original auf Englisch geschrieben wurden.

Romane lese ich in verschiedenen Sprachen. Meine Lieblingsautorin ist die Chilenin Isabel Allende. Ihre Bücher lese ich natürlich auf Spanisch. Auf Deutsch lese ich alles von Sebastian Fitzek und Oliver Plötzsch. Sebastian Fitzek schreibt Psychothriller und Oliver Plötzsch historische Romane.  Ich lese viele Bücher auf meinen Kindle, aber eigentlich mag ich richtige Bücher lieber. Aber es ist ein bisschen schwierig, wenn man so oft den Ort wechselt wie ich. Allerdings habe ich einige Bücher bei Freunden in Lima und seit einiger Zeit miete ich eine Storage Unit in Buenos Aires. Storage Unit = Lagereinheit. Klingt irgendwie komisch auf Deutsch. Nun denn. Als ich Deutschland verlassen habe, ist es mir auch echt schwergefallen, meine Bücher wegzugeben und sobald ich irgendwann wieder eine feste Wohnung habe, kaufe ich sicher als erstes ein großes Bücherregal und habe dann ganz schnell wieder eine kleine Privatbibliothek.

Du hast wahrscheinlich schon gemerkt, dass ich sehr unterschiedliche Arten von Romanen lese. Es muss nur auf gewisse Weise realistisch sein. Also, ich muss mich in die Geschichte hineinversetzen können. Fantasy oder Science Fiction können in dem Sinne auch realistisch sein. Was ich nicht mag, sind sehr abstrakte Erzählweisen mit tausenden von Details. Es sollte spannend oder auf irgendeine Art und Weise interessant und lehrreich sein.

Ich habe gerade einen Roman von einer norwegischen Autorin gelesen, über fünf ehemalige Schulfreundinnen, die sich 45 Jahre nach ihrem Schulabschluss auf Fiji wiedersehen. Interessante Geschichte und ich habe einiges über Fiji gelernt. Das Buch habe ich zufällig in einem Buchladen hier in Buenos Aires entdeckt. Falls es dich interessiert: Die Autorin heißt Anne Ostby und der englische Titel ist „Pieces of Happiness“. „Porciones de felicidad“ auf Spanisch und „Zartbitter ist das Glück“ auf Deutsch. Aus irgendeinem Grund weichen deutsche Buchtitel gerne mehr oder weniger stark vom Originaltitel ab.

Also, ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ohne Bücher kann ich nicht leben. Und ich bin zuversichtlich, dass es weiterhin Bücher geben wird, auch wenn die Tendenz heute anscheinend eher zu kurzen Büchern mit maximal 300 Seiten geht. Das ist jedenfalls meine subjektive Empfindung. Ich persönlich lese gerne dicke Bücher mit vielen Seiten. Seit ich selbst schreibe, bewundere ich die Autoren solcher Bücher, insbesondere, wenn es historische Romane sind. Da muss man als Schriftsteller gut aufpassen, dass der Ablauf der Geschichte und die Handlungen der Personen stimmig sind. Klar, heute gibt es Software, die beim Schreiben hilft. Früher hatten Autoren wie Tolstoi wahrscheinlich jede Menge Notizzettel.

Ich lese normalerweise jeden Tag. Immer abends vor dem Schlafengehen, das ist ein festes Ritual. Aber auch oft zwischendurch, wenn ich z. B. einen Tee trinke. Mein Kindle ist immer in meiner Tasche, sodass ich auch im Bus oder in der U-Bahn lesen kann. Viel besser, als sinnlos auf dem Handy durch Social Media zu scrollen. Podcast hören ist natürlich auch super und deshalb freue ich mich, dass du heute wieder dabei warst. Und nun darfst du gern ein Buch lesen. Viel Spaß und bis bald.

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