25. Erinnerungen an 2020

Hallo, hier ist Daniela von German with Stories. Schön, dass du wieder dabei bist. Normalerweise nehme ich Podcast-Folgen am Freitag auf und mache das Worksheet und alles andere am Wochenende. Aber diesen Freitag, am 15. März, in zwei Tagen, fliege ich nach Santiago de Chile. Also dachte ich mir, ich nehme die Folge einfach schon am Mittwoch auf. Allerdings hatte ich mir noch kein Thema überlegt. Dann ging es mir plötzlich durch den Kopf, dass ich genau heute vor vier Jahren, am 13. März 2020, ungeplant und spontan nach Lima geflogen bin.

Ich denke, jeder von uns hat so seine eigenen Erinnerungen an das Jahr 2020 und es ist wohl ein Jahr, das die meisten von uns bis an ihr Lebensende im Gedächtnis behalten werden. Nun, ich habe mir überlegt, dass ich dir in dieser Folge erzählen werde, wie und wo ich das Jahr 2020 verbracht habe.

Angefangen hat es in Mexiko, wo ich in der Stadt Mérida auf die Katze und Wohnung einer kanadischen Freundin aufgepasst hatte, die nach Ecuador geflogen war. Anfang Februar ging es für einige Tage nach Cholula, ebenfalls in Mexiko. Dort sollte eigentlich im Oktober die Polyglot Conference stattfinden und ich war fest entschlossen, endlich mal wieder teilzunehmen. Statt im Oktober 2020 fand die Polyglot Conference dann im Oktober 2022 in Cholula statt und da war ich in Europa. Aber es gab im Februar 2020 eine kleinere Veranstaltung in Cholula, weil Richard Simcott, der Organisator der Polyglot Conference, gerade vor Ort war.

Meine nächste Station war dann Guatemala, die sehr schöne Stadt Antigua. Leider war das Internet in meiner Unterkunft ziemlich langsam. Ich habe damals noch fast ausschließlich als Deutschlehrerin auf italki gearbeitet und musste in Antigua viel von einem Coworking Space aus unterrichten. Das war ziemlich nervig, weil ich stundenlang in einer winzigen Telefonkabine saß. Ich hatte zu dem Zeitpunkt eine Schülerin in Shanghai, China und konnte es nicht glauben, als sie mir von einem sogenannten Lockdown erzählte und dass sie das Haus praktisch nicht mehr verlassen durfte. So ein Unsinn, habe ich mir gedacht, das können sie auch nur in einer Diktatur wie China machen. In einem demokratischen Land würden sich die Menschen das nicht gefallen lassen. Ich habe mich selten in meinem Leben so geirrt.

So ab Ende Februar kamen dann auch immer mehr Horrormeldungen aus Europa, vor allem aus Italien und ich bekam ein ganz ungutes Gefühl. Ich hatte für den 16. März einen Flug von Guatemala nach Lima und ich kann mich gut erinnern, dass ich am 10. März mit einem Freund in Lima gesprochen habe. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich jetzt sofort hier weg sollte“, habe ich ihm gesagt. Er fand das übertrieben. Mein rationales Ich war auch dagegen. Trotzdem habe ich am 11. März einen neuen Flug gekauft, für den 13. März. Relativ teuer und mit Zwischenlandung in Bogotá. In Bogotá sah ich dann die ersten Menschen mit Masken, aber der Flug war noch komplett normal. Ebenso die Einreise nach Peru.

Nur zwei Tage später schloss Peru seine Grenzen, wie viele andere Länder auch. Am 16. März hätte ich nicht mehr fliegen können. Du kannst dir nicht vorstellen, wie froh ich war, dass ich auf mein Bauchgefühl gehört hatte. Guatemala war zwar nett gewesen, aber dort kannte ich niemanden und wie erwähnt war das Internet schlecht. In Peru hingegen hatte ich seit 2017 viel Zeit verbracht und war nicht allein. Natürlich wurden nicht nur die Grenzen geschlossen, sondern es gab auch den berüchtigten Lockdown, den ich noch wenige Wochen zuvor nicht für möglich gehalten hätte. In Peru wurde er alle zwei Wochen verlängert. Bis Juni ging das. Am Anfang hatten wir Militär auf der Straße. Für mich als Europäerin absolut schrecklich, aber in Lateinamerika ist es nicht so unüblich. Ich hatte auch das 2019 in Ecuador einmal kurz mitbekommen.

Und ich habe sowohl auf Englisch als auch auf Spanisch ein neues Wort gelernt: curfew bzw. toque de queda. Auf Deutsch heißt es Ausgangssperre. Deutschland hat das auch eine Weile versucht, aber das war eine der wenigen Maßnahmen, die von der Bevölkerung nicht akzeptiert wurden. In Lateinamerika war das normal zu Zeiten der Militärdiktaturen, und Ausgangssperren sind hier allgemein ein beliebtes Mittel in Ausnahmesituationen. Am Anfang fing unsere Ausgangssperre in Lima ab 18 Uhr an. Ich bin normalerweise kein Mensch, der abends viel unterwegs ist, aber ich schätze meine persönliche Freiheit und fand es eine Frechheit, dass die Regierung mir sagen wollte, wann ich rausgehen darf und wann nicht.

In den ersten Wochen gab es immer lange Schlangen vor den Supermärkten. Ich habe zweimal versucht, online zu bestellen, aber das funktionierte 2020 in Peru so gut wie gar nicht. Einmal kam meine Bestellung erst eine Woche später an, einmal nur die Hälfte. Da wäre ich verhungert, wenn ich nicht zwischendurch eingekauft hätte. Das Problem mit dem fehlenden Klopapier hatten wir am Anfang auch, aber zum Glück nur ein paar Tage. Außerdem hatten wir plötzlich viele kleine Lebensmittelläden. Vorher waren es Cafés oder sogar Hostels gewesen. Was sollten sie machen? Lebensmittelläden waren die einzigen Geschäfte, die öffnen durften.

Als die Menschen in Europa ab Mitte Mai wieder in Urlaub flogen und alles relativ normal war, saßen wir immer noch im Lockdown. Ich kann sagen, dass ich während dieser Zeit ein bisschen kochen gelernt habe, denn ganz am Anfang gab es keinen Liefer-Service und auch im Mai hat es noch nicht so wirklich gut funktioniert. Aber ich bin und bleibe eine miserable Köchin und mittlerweile sind meine Kochkünste wieder genauso schlecht wie 2019.

Nun gut, so um den 10. Juni herum durften die Restaurants wieder öffnen. Welch eine Freude. Gleich am ersten Tag sind wir zu dritt in unser Lieblingsrestaurant gegangen. Die Ausgangssperre gab es immer noch, aber sie lag zu dem Zeitpunkt so bei 21 Uhr

Ab Mitte Juli konnte man dann wieder innerhalb von Peru reisen. Ich kann mich erinnern, dass es vorher Leute gab, die versucht haben, von Lima aus zu Fuß in ihre Heimatprovinzen zurückzukommen. Die gestrandeten Touristen waren zu dem Zeitpunkt alle in ihre Heimatländer zurückgekehrt, so dass man auf den Straßen praktisch nur Spanisch hörte. Natürlich leben in Peru auch Ausländer, aber wenn die Touristen weg sind, fallen die nicht auf.

Ich habe nie so viele Menschen betteln sehen wie in diesen Monaten des Lockdowns. In Peru arbeiten viele Menschen informell, d.h. sie verkaufen etwas auf der Straße oder bieten irgendwelche Dienste an. Wovon sollen sie leben, wenn sie das nicht machen dürfen? Gleichzeitig war sehr viel Angst vor dem Virus da. Das hat man gespürt. Viele Menschen in Peru hatten wirklich Angst. Zum einen ist das peruanische Gesundheitssystem tatsächlich nicht das Beste, aber zum anderen hatten diese ständigen Horrornachrichten über Covid einen großen Effekt auf die Bevölkerung. Zumindest in Lima.

Ich habe nicht nur schlechte Erinnerungen an 2020. Als Introvertierte und als nicht sonderlich sozialer Mensch waren viele Maßnahmen für mich persönlich kein großes Drama. Online arbeiten war auch nichts Neues. Tatsächlich habe ich während des Lockdowns sehr viel unterrichtet. Aber ich bin damals auch mit dem Schreiben meines ersten Buches angefangen. Außerdem gab es lange und interessante Gespräche auf dem Balkon. Und viele Spaziergänge. Letztere wurden so um Ostern herum für zwei Wochen unterbrochen, weil die Regierung auf die Idee kam, dass es doch gut wäre, wenn man Frauen und Männer nicht mehr zusammen auf die Straße lässt. An einem Tag durften die Männer nach draußen und am nächsten Tag die Frauen. Heute würde ich ja einfach sagen „ich identifiziere mich als Mann“, aber 2020 war das noch kein großes Thema und schon gar nicht in Peru. Wie auch immer, die Trennung nach Männern und Frauen funktionierte nicht, deshalb hatte sich das Thema nach zwei Wochen erledigt.

Mal überlegen, was wir sonst noch für lustige Sachen hatten, über die meine Kinder sich totgelacht haben. Ah ja, Füße bzw. Schuhsohlen desinfizieren, bevor man ein Geschäft betritt. Vor jedem Geschäft lagen Matten, die mit Desinfektionsmittel getränkt waren. Es kam auch mal die Ankündigung, dass man Supermärkte nur mit Gummihandschuhen betreten darf, aber das scheiterte daran, dass es nicht genug Handschuhe gab.

Und natürlich die berühmte peruanische Doppelmaske plus Plastikvisier. Beim Fliegen war das bis Mai 2021 Pflicht, sonst durfte man nicht ins Flugzeug. Die Peruaner erkannte man daran, dass sie auch am Zielflughafen in einem anderen Land noch das Plastikvisier trugen, während die meisten Ausländer es spätestens nach der Landung abgesetzt hatten. Bei Flügen nach Peru musste man sich erst nach der Landung entsprechend den nationalen Vorschriften maskieren. Ich glaube, das mit der Doppelmaske und Plastikvisier hatte wirklich nur Peru.

Andere Dinge haben dafür nicht funktioniert, z. B. die Quarantäne. Natürlich gab es da Regeln und eine Zeitlang sollte man nach Einreise zwei Wochen in Quarantäne, aber ich persönlich kenne niemanden, der sich an diese Regeln gehalten hat. Und jeder wusste, dass das peruanische Gesundheitsministerium gar nicht die Kapazitäten hatte, das zu kontrollieren. Ständig getestet wurde man auch nicht. Gut, das war vielleicht anders, wenn man irgendwo formell gearbeitet hat, das weiß ich nicht. Ich selbst hatte während der ganzen Pandemie nie einen PCR-Test und nur zweimal einen Antigen-Test, beide Male wegen einem Flug. Ich hatte übrigens auch kein Covid. Oder zumindest habe ich mich nie krank gefühlt.

Regeln, mit wie vielen Menschen man zu Hause zusammen sein durfte, gab es auch nicht. Viele Peruaner leben mit mehr Personen in einer Wohnung zusammen, als es in Deutschland üblich ist. Das wäre also schwierig gewesen. Nur in den großen Supermärkten hieß es, nur eine Person pro Haushalt. Ganz schlimm war es allerdings für die Kinder. Die sind zwei Jahre nicht zur Schule gegangen und 2020 durften sie sich in Lima monatelang nicht weiter als 500 Meter von der Wohnung entfernen. Schon ganz kleine Kinder bekamen eine Maske aufgesetzt. Das hat mir immer so leidgetan, wenn so ein einjähriges Kind mit Maske im Kinderwagen saß.

Nach acht Monaten Corona-Wahnsinn in Lima hatte ich dann im November 2020 meinen ersten nationalen Flug. Wenige Wochen zuvor hatte Peru seine Grenzen wieder geöffnet, aber insgesamt war mir alles noch zu suspekt, um schon wieder international zu reisen. Stattdessen war ich eine Woche im Amazonasgebiet, eine Stunde Bootsfahrt von Iquitos entfernt. Ein kleines Dorf direkt am Amazonas. Das war eine andere Welt. Keine Masken, keine Menschen mit Angst, alles komplett normal. Eine amerikanische Bekannte von mir hatte dort eine Lodge und es gab dieses Dorf mit etwa 200 Einwohnern. Kein Wifi, aber ein bisschen mobiles Internet. Ich habe dort mein erstes Buch „Ein Sommer in Heidelberg“ beendet und es war so genial. Wenn es funktionierendes Wifi gegeben hätte, hätte ich es dort ohne Probleme einige Wochen ausgehalten.

Die Rückkehr nach Lima war hart und ich habe gemerkt, dass es an der Zeit war, Peru zu verlassen.  So bin ich dann Anfang 2021 für einige Wochen in die Dominikanische Republik geflogen, wo die Situation viel relaxter war.  Ich war nochmal von August 2021 bis Februar 2022 relativ lange in Lima, aber seitdem mache ich nur noch kurze Besuche, so wie jetzt gerade. Und hoffe, dass es die erste und letzte Pandemie meines Lebens war. Im März 2020 hätte ich nie im Leben gedacht, dass das alles so lange dauern würde.

So, das waren meine Erinnerungen an das Jahr 2020. Mal schauen, welches Thema ich mir für die nächste Folge einfallen lasse. Die übernächste Folge, um genau zu sein, denn nächste Woche gibt es wieder eine Folge für Anfänger. 

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