Der Erste Weltkrieg endete im November 1918. Das Inflationsproblem wurde Ende 1923 gelöst. Deutschland musste zwar weiter Reparationen an Frankreich, Belgien und andere Länder bezahlen, aber die Deutschen schauten wieder optimistisch in die Zukunft und genossen das Leben. Vor allem Berlin war zwischen 1924 und 1929 für Kino, Theater, Nachtleben und Skandale bekannt. Das waren die Goldenen Zwanziger. Sie endeten im Oktober 1929.
Der Grund war ein Börsencrash in den USA am 25. Oktober 1929 und der Beginn der Weltwirtschaftskrise. Auf Englisch nennt man diese Zeit „Great Depression”. Auf Deutsch sagen wir auch manchmal „Große Depression”, aber normalerweise sprechen wir von der Weltwirtschaftskrise von 1929. Allerdings dauerte die Krise länger, mindestens bis 1933.
Ich möchte heute nicht über die Gründe für den Börsencrash sprechen, sondern über die Folgen für Deutschland, für die Weimarer Republik. Was passierte nach dem Börsencrash in den USA? Die Börse, das ist der Ort, wo Aktien gehandelt werden, auf Englisch „stock exchange”. In den USA ist die New Yorker Börse am wichtigsten, in Deutschland die Frankfurter Börse.
Es gab also einen Crash in New York, d.h. alle Aktien verloren extrem viel an Wert. Die US-Banken hatten in den Jahren zuvor viele Auslandskredite vergeben, auch an das Deutsche Reich und an deutsche Banken. Nun stoppten sie diese Kredite und als Folge konnten auch die deutschen Banken keine Kredite mehr vergeben. Das war schlecht für die Unternehmen. Auch vor 100 Jahren war es normal, dass Unternehmen mit Hilfe von Krediten arbeiteten. Sie machen das, weil sie in neue Maschinen, Gebäude oder in Forschung und Entwicklung investieren. Oder sie müssen kurzfristig liquide sein, d.h. sie müssen jetzt etwas bezahlen, erwarten aber erst in zwei Monaten Einnahmen.
Viele deutsche Unternehmen hatten also plötzlich kein Geld mehr zur Verfügung. Einige mussten Konkurs anmelden. Konkurs anmelden bedeutet, dass die Firma erklärt, dass sie kein Geld mehr hat und nicht mehr weiter produzieren kann. Sie wird dann geschlossen. Manchmal wird sie auch verkauft und bekommt einen neuen Besitzer.
Viele Unternehmen reagierten mit Massenentlassungen, d.h. viele Arbeiter verloren ihre Jobs. Die Zahl der Arbeitslosen verdreifachte sich in nur vier Jahren. 1932 hatten 30% der Menschen in Deutschland keinen Job.
In der Weimarer Republik gab es Sozialversicherungen, aber es waren zu viele Menschen, die Hilfe brauchten. Die Höhe des Arbeitslosengeldes wurde gekürzt, d.h. die Menschen bekamen weniger Geld als 1928, wenn sie ihren Job verloren. Das Geld reichte nicht bis zum Monatsende. Es war nicht mehr möglich, neue Kleidung oder Möbel zu kaufen oder Geld zu sparen. Viele Menschen waren froh, wenn sie zumindest genug Essen auf dem Tisch hatten.
Natürlich waren die Menschen unzufrieden mit der Politik. Die Weimarer Republik war nie eine stabile Demokratie gewesen, aber ab 1930 wählten die Menschen zunehmend radikale Parteien, vor allem die NSDAP, die Nazi-Partei von Adolf Hitler und die KPD, die Kommunistische Partei Deutschlands.
Bei den Parlamentswahlen von 1932 bekam die NSDAP, die Nazis, die meisten Stimmen. 37,4 % hatten sie gewählt. Vier Jahre zuvor, im Mai 1928, waren es nur 2,8% gewesen.
Warum? Waren schon damals so viele Deutsche Antisemiten? Hassten so viele Menschen die jüdische Bevölkerung? Nein, so einfach ist es nicht. Hitler versprach Arbeitsplätze und ein Ende der wirtschaftlichen Probleme. Und Deutschland sollte wieder in der ganzen Welt respektiert werden. Das waren die großen Themen. In Krisenzeiten glauben Menschen gern den Versprechen von Politikern, die gerade nicht an der Macht sind. Sie wollen, dass alles schnell besser wird. Auch das Gefühl der Demütigung, humiliation, aufgrund des verlorenen Kriegs und des Versailler Vertrages spielten eine Rolle. Für Adolf Hitler war es in Kombination mit seinem Judenhass ein wichtiger Grund, Kanzler werden zu wollen.
Der Antisemitismus der Nazis spielte in den Jahren 1929 – 1933 für die meisten Menschen keine Rolle. Damals wie heute informierten sich viele Menschen nicht über Parteiprogramme, sondern über Slogans. Und die Wahlslogans der Nazis 1932 waren zum Beispiel: „Arbeit und Brot”, „Deutschland erwache”, „Mit Hitler gegen den Marxismus”. Das waren keine antisemitischen Slogans. Hitlers Buch „Mein Kampf” war 1925 erschienen, aber wer hatte das schon gelesen? Niemand dachte an einen weiteren Weltkrieg oder an die Ermordung aller europäischen Juden. Dieser Gedanke war in der Weimarer Republik des Jahres 1932 absurd. Die Menschen wollten Jobs und eine stabile wirtschaftliche Situation. Nicht mehr und nicht weniger.
Leider unterschätzen auch viele Politiker anderer Parteien, die Gefahr, die von Hitler ausging. Sie dachten, dass sie Hitler kontrollieren und für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren könnten. Nur die SPD, die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, war klar gegen Hitler. Die Kommunisten waren zwar gegen die Nazis, aber sie fanden die Sozialdemokraten noch schlimmer und sie waren viel zu ideologisch.
Der parteilose Reichspräsident Paul von Hindenburg mochte Hitler nicht, aber auch er glaubte, dass man ihn kontrollieren könne. Und es war nun einmal eine Tatsache, dass die NSDAP bei den Parlamentswahlen die meisten Stimmen bekommen hatte. Auch in der heutigen Bundesrepublik ist es üblich, dass die Partei mit den meisten Stimmen den Kanzler stellt. Es ist kein Muss, aber normalerweise respektiert man so den Willen der Bevölkerung. So kam es, dass Adolf Hitler am 30. Januar 1933 legal an die Macht kam. Es gab keinen Putsch, keine Revolution. Reichspräsident Paul von Hindenburg ernannte Hitler zum Reichskanzler. Damit endete aus historischer Perspektive die Weimarer Republik und die Nazi-Diktatur begann.