Hallo! Hier ist Daniela von German with Stories. In der heutigen Folge teile ich meine Gedanken zu Deutschland und Lateinamerika mit dir. Falls du aus Lateinamerika kommst, wirst du sicherlich über einiges lachen und falls dir Lateinamerika total fremd ist, erfährst du heute ein paar Dinge über den Kontinent, der meine emotionale Heimat ist.
Ich bin jetzt seit 2017 in Lateinamerika. Mit einer kurzen Unterbrechung zwischen Juli 2022 und Mai 2023, als ich ein halbes Jahr in den Balkanländern Serbien, Nordmazedonien und Albanien verbracht habe und dann drei Monate in Italien war.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich in Lateinamerika bin. Ich bin Anfang der 90er Jahre bereits nach Venezuela, Mexiko, Kuba und Argentinien gereist und habe dann eine Weile in Brasilien gelebt. Meine Kinder haben einen brasilianischen Vater. Nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich Europa 15 Jahre nicht verlassen. Zum einen hatte ich mich von dem Vater meiner Kinder getrennt und hatte als alleinerziehende Mutter nicht viel Geld und zum anderen mag ich Interkontinentalflüge gar nicht. Das ist übrigens auch ein wichtiger Grund, warum ich so selten nach Deutschland fliege. Ich kann im Flugzeug nicht schlafen, als introvertierter Mensch stresst mich der Mangel an Privatsphäre total und ich brauche immer mindestens eine Woche, um mich an eine andere Zeitzone zu gewöhnen.
Mich fragen immer wieder Menschen, warum ich so gern in Lateinamerika bin. Es ist laut, die Menschen halten viel weniger Distanz als in Deutschland, das muss doch für einen introvertierten Menschen schrecklich sein. Eine gute Freundin von mir ist Brasilianerin. Sie lebt seit vielen Jahren in Portugal und sagt, sie erträgt Brasilien nicht mehr, weil es so laut und chaotisch ist. Sie ist natürlich auch introvertiert. Ähnliches haben mir Schüler aus südamerikanischen Ländern gesagt, die in Europa leben und arbeiten.
Ja, das stimmt alles, aber ich lebe fast immer allein in Airbnbs und habe auch kein südamerikanisches Arbeitsumfeld. Ein Großteil des Chaos um mich herum betrifft mich also nicht direkt.
Im Gegensatz zu vielen Deutschen sind die Latinos jedoch sehr freundlich. Man begrüßt sich, wenn man einen Nachbarn sieht oder einen Fahrstuhl betritt und es ist ganz leicht, sich mit jemandem zu unterhalten. Klar, das ist oft oberflächlich, aber meiner Meinung nach gibt es mehr Miteinander als Nebeneinander. Familie ist wichtig. Es ist im Gespräch manchmal schwierig zu erklären, warum ich ganz allein hier bin. Es hilft dann aber, wenn ich sage, dass ich zwei erwachsene Kinder habe.
Wichtig für mich ist es, dass es zwar Regeln gibt, aber sie werden nicht so penibel eingehalten wie in Deutschland. In vieler Hinsicht ist es ein leben und leben lassen. Wenn ich hier jemandem erzähle, dass man in Deutschland Strafpunkte bekommt, wenn man zu Fuß über eine rote Ampel geht und dadurch sogar den Führerschein verlieren kann, lachen sich alle tot. Man läuft über die Straße, wenn kein Auto kommt. Ampeln sind nur eine Hilfe für Fußgänger, falls zu viel Verkehr ist.
Es stimmt übrigens nicht, dass alle Latinos wie die Idioten fahren und völlig rücksichtslos sind. Am ehesten trifft dieses Klischee auf Peru und Kolumbien zu, wo man sich manchmal wirklich todesmutig auf die Straße stürzen muss, wenn man nicht stundenlang warten will.
In Paraguay, wo ich diese Podcast-Folge aufnehme, empfinde ich die meisten Autofahrer als sehr relaxt. Oft hält jemand an, um mich die Straße überqueren zu lassen, wenn ich es gar nicht erwarte. In Uruguay war es ähnlich und auch in Argentinien habe ich Autofahrer nicht als rücksichtslos erlebt. Es gibt einfach mehr Kommunikation untereinander. Man muss natürlich gelernt haben, wie man sich mit anderen Autofahrern und Fußgängern verständigt. Vielleicht spielt auch die Größe des Autos eine Rolle bei der Frage, wer gerade Vorfahrt hat. Keine Ahnung, denn ich selbst fahre hier kein Auto. Wahrscheinlich hätte ich nach zwei Minuten den ersten Unfall. Gut, ich war nie ein Autofan. Auch in Deutschland hatte ich nur zweimal kurz ein Auto und bin nie gern gefahren.
Kann ich mir vorstellen, wieder in Deutschland zu leben? Die Antwort ist ein klares Nein. Mein Heimatland ist mir fremd geworden. Ich lese weiterhin deutsche Medien. Online natürlich. Ich weiß, wie alles funktioniert, wenn ich zu Besuch bin, aber es ist nicht mehr meine Heimat. Es gibt heute zu viele Dinge in Deutschland, die mir nicht gefallen. Allerdings war ich nie ein Deutschland-Fan. Es gibt schließlich einen Grund, warum meine Kinder einen brasilianischen Vater haben. Das fing bei mir schon recht früh an, dass ich Lateinamerika interessanter fand als Deutschland.
Für jemanden, der einen sicheren Job mit starken Arbeitnehmerrechten und guter sozialer Absicherung sucht, ist Deutschland sicher eine gute Option. Ich habe selbst gut zehn Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet. Tarifvertrag, regelmäßige Gehaltserhöhungen. Das Risiko, gekündigt zu werden, lag praktisch bei null. Als ich dann gekündigt habe, haben mich einige Leute für verrückt erklärt.
Eine Selbständigkeit in Deutschland kam aufgrund der damit verbundenen Kosten und der vielen Regeln nicht in Frage. Ich wollte es auch nicht. Mein Business läuft jetzt über die USA. Das ist bei vielen digitalen Nomaden so, weil man alles online machen kann und es den Vorteil hat, dass man zu allen US-Plattformen Zugang hat.
Habe ich Lieblingsländer in Lateinamerika? Ja, klar. In den Jahren 2018 bis 2022 habe ich jedes Jahr mindestens zwei Monate in Mexiko verbracht. Während der Pandemiezeit lag das auch daran, dass die südamerikanischen Länder oft mehr Einreiserestriktionen hatten. Im Fall von Mexiko, das nie einen Test oder Impfnachweis für die Einreise verlangt hatte, hatte das leider auch zur Folge, dass es mittlerweile sehr überlaufen ist. Ich liebe die mexikanische Kultur und Geschichte, aber Mexiko habe ich nie ernsthaft zum Wohnen bzw als Base in Betracht gezogen.
Mittelamerika kenne ich fast gar nicht, nur Guatemala. Da ich kein Strandtyp bin, ist die Karibik für mich auch nicht sehr attraktiv. Also, eigentlich bin ich mehr ein Südamerika-Fan. Meine Base war einige Jahre Peru, wo ich auch weiterhin regelmäßig hinfliege. Nicht, weil ich Lima so toll finde, sondern, weil ich dort zwei sehr gute Freunde habe, einen Argentinier und eine Peruanerin. Meine Lieblingsstadt ist definitiv Buenos Aires. Diese Stadt ist eine für mich total faszinierende Mischung aus Südamerika und Europa. Wenn man Literatur, Theater, Architektur, ganz allgemein Kultur mag, dann ist Buenos Aires ein Traum.
Und wenn man in Dollar oder Euro verdient, ist Argentinien momentan das billigste Land Südamerikas. Das könnte sich ändern, wenn die Politik des neuen Präsidenten Erfolg hat, und ich hoffe es für die Argentinier. In Buenos Aires leben momentan viele Ausländer, die remote arbeiten oder online selbständig sind. Auch viele Deutsche. Allerdings bin ich nicht der Typ, der im Ausland nach Landsleuten sucht. Es ist nett, mal jemanden aus der alten Heimat zu treffen, einen Kaffee zusammen zu trinken und ein bisschen zu quatschen, aber ich möchte nicht in einer deutschen Expat-Bubble leben. Dann hätte ich ja auch in Deutschland bleiben können.
Selbst für so introvertierte Menschen wie mich ist es in Südamerika einfach, neue Menschen kennenzulernen. Mein Privatleben findet zu 70% auf Spanisch, zu 25% auf Englisch und zu 5% auf Deutsch statt. Und neuerdings ein bisschen auf Russisch. Es sind nämlich nicht wenige Russen aufgrund der Politik in ihrem Land und wohl auch aufgrund der Tatsache, dass sie ohne Visum einreisen können, nach Südamerika gekommen. Praktisch für mich, weil ich seit zwei Jahren Russisch lerne.
Manchmal fragen mich Leute, was in Deutschland besser ist als zum Beispiel in Argentinien. Natürlich ist die wirtschaftliche Situation besser. Noch jedenfalls. Ich denke, die Supermärkte sind besser, in Deutschland gibt es mehr Auswahl. Die argentinischen Supermärkte sind ein bisschen langweilig und haben nicht so viel Auswahl. Das haben sie mit den Supermärkten in Paraguay und Bolivien gemeinsam, während Peru ausgezeichnete Supermärkte mit großen Produktpaletten hat. In Argentinien habe ich immer das Gefühl, jeder Supermarkt besteht zu 50% aus drei Produkten: Wein, Mate und Dulce de Leche. Ok, jetzt sollte ich erklären, was das ist. Wein ist klar. Argentinien produziert den besten Wein Südamerikas. Falls mir ein Chilene zuhört, ja, Chile produziert auch sehr guten Wein, keine Frage. Ich trinke aber trotzdem lieber argentinischen Wein. Zurück zum Thema. Mate ist eine Art Tee. Man trinkt es aus einem speziellen Becher und schüttet immer wieder warmes Wasser aus der Thermoskanne nach. Sehr typisch für Argentinien und Uruguay. In Paraguay gibt es eine kalte Variante. Und Dulce de Leche ist für die Argentinier das, was für die Amerikaner Erdnussbutter ist. Dulce de Leche ist eine Karamellcreme, die mir persönlich viel zu süß ist. Mag ich nur als Eiscreme. Das deutsche Äquivalent wäre wohl Nutella. Das gibt es in Südamerika auch, aber es ist unglaublich teuer.
Ok, um diese Podcast-Folge abzuschließen: Es gibt kein perfektes Land und das ist bei mir der Grund, warum ich immer noch gern den Ort wechsle. Aber „mein“ Kontinent ist ganz klar Südamerika. Und ich glaube, wenn man sein Heimatland verlässt, bekommt man entweder einen etwas nostalgischen Blick oder man wird zunehmend kritischer. Letzteres ist bei mir mit Deutschland der Fall. Ich finde die Schweiz und Österreich viel sympathischer als Deutschland.
So, genug für heute. Nächste Woche gibt es eine Episode für Anfänger und in zwei Wochen dann wieder einen längeren Kommentar zu irgendeinem Thema von mir.